Is good news no news?
Von einer überwiegend negativen Berichterstattung profitieren vielleicht Journalisten und Medienhäuser, nicht aber Investoren und die Gesellschaft.
Von einer überwiegend negativen Berichterstattung profitieren vielleicht Journalisten und Medienhäuser, nicht aber die Gesellschaft. Die Medien wissen, dass schlechte Nachrichten mehr Aufmerksamkeit erzeugen und sich dadurch besser verkaufen. Warum registriert und gewichtet ein Grossteil der Gesellschaft Negatives stärker als Positives? Diesen Effekt begründen Wissenschaftler mit der Evolution der Menschheit, denn für den Jäger und Sammler war es überlebenswichtig auf natürliche Gefahren wie wilde Tiere oder giftige Pflanzen besonders zu achten, um in Notsituationen sofort zu reagieren. DIE ZEIT schreibt: «Die Hirnforschung weiss, dass wir nur einen Bruchteil (weniger als ein Tausendstel Prozent, schätzt der Neurowissenschaftler Lutz Jäncke) aller auf uns einströmenden Informationen bewusst zur Kenntnis nehmen. Der allergrösste Teil der Sinneseindrücke wird unbewusst verarbeitet. Am stärksten springen in unserem Kopf die unbewussten Entscheidungsmechanismen auf mögliche Gefahren an. Negatives wird deshalb im Gehirn vordringlich behandelt»1. Immer mehr Menschen informieren sich mit ihrem Handy auf Social-Media-Kanälen oder lesen digital Tageszeitungen. Die Medienhäuser und Social-Media-Unternehmen erkennen in Echtzeit anhand von Klicks, dass reisserische, negative Berichte hohe Aufmerksamkeitsquoten erzielen. Würden die Menschen weniger negative Schlagzeilen und mehr positive lesen, würden die Medien auch mehr erfreuliche Nachrichten vermitteln, um sich der Nachfrage anzupassen. Eine zu einseitige Berichterstattung führt dazu, dass wir ein verzerrtes Weltbild haben, welches nicht der Realität entspricht. Zu viele negative News verdrängen unser Bewusstsein über viele positive Entwicklungen, die stattgefunden haben und die wir in Zukunft erwarten dürfen. In diesem Zusammenhang empfehle ich Ihnen gerne das Buch «Aufklärung Jetzt» von Steven Pinker. Dieses Buch zeigt anhand von Fakten die grossen historischen Fortschritte in den meisten Weltregionen zum Wohle der Menschheit.
Der regelmässige und häufige Konsum von negativen Nachrichten fördert Depressionen und macht uns anfälliger für Krankheiten. Wie können wir uns schützen? Zu meinem persönlichen Schutz lese ich eine ausgewogene Anzahl an positiven sowie negativen Artikeln. Bei negativen Einschätzungen von Dritten überlege ich mir Gegenargumente, die ihre Aussagen relativieren oder anhand von Fakten widerlegen können. Ich suche nach Expertenmeinungen, die gute Lösungswege aufzeigen und überlege mir, ob an entsprechenden Lösungen bereits gearbeitet wird. «Das Reden über Lösungen schafft Lösungen», sagte der Psychotherapeut Steve de Shazer. Welche Informationsquellen ich vorziehe, entscheide ich bewusst. Ich lese am liebsten umfangreiche Artikel, für die die Journalisten selbst aufwendige Recherchen betrieben haben und die faktenbasiert sind. Möglichst wenig Zeit widme ich dem Konsum von Kurznachrichten, da diese inhaltlich meist wenig Informationen mit Zusatznutzen vermitteln, sondern vorwiegend unsere Gefühlswelt aufwirbeln und so unsere Aufmerksamkeit erhaschen wollen. Die Algorithmen der Social-Media-Plattformen wie YouTube, TikTok, Facebook und Instagram füttern die Nutzer mit ähnlichen Beiträgen, wie denjenigen, die man bereits angeschaut hat. Ich will nicht mit Videovorschlägen bombardiert werden, die meine Psyche belasten. Auf YouTube suche ich mit Stichwörtern gezielt Beiträge, die mich interessieren.
Wie reagieren Sie, wenn Sie am Morgen aufstehen und die Headline lesen «Happige Verluste für die Anleger, die amerikanische Aktienbörse crashte an einem Tag 3%!»? Verfallen Sie in einen unruhigen Aktivismus und konsultieren als Erstes die Kurse Ihrer Aktien, lesen Sie Tagesberichte zum Börsenverlauf oder schauen sich am TV Finanznachrichten an? Zunächst rate ich Ihnen ab, als erste und auch als letzte Tagesaktivität Aktienkurse anzuschauen und Ihren Schlaf oder Ihr tägliches Wohlbefinden durch schwankende Börsenstimmungen beeinflussen zu lassen. Wenn tägliche Kursschwankungen und Börsennews Ihr Wohlbefinden bestimmen, dann werden Sie Schwierigkeiten haben gute Anlageentscheide zu treffen, da Ihre Entscheidungen wahrscheinlich auf Emotionen und nicht auf rationalen Fakten basieren. Tageskurse und Kursschwankungen (Volatilitäten) sagen nichts aus über die Qualität und über die Risiken der Unternehmen, von denen Sie Aktien halten! In der Regel ändert sich der Zustand einer Unternehmung nicht grundlegend von einem Tag, einer Woche oder einem Monat auf den anderen. Damit Börsen- und Kursschwankungen Ihre Emotionen möglichst wenig beeinflussen, rate ich, in positiven sowie in negativen Börsenphasen, Apps mit Kurslisten nicht zu oft zu öffnen (je weniger, desto besser) und den Depotwert und die historische Performance nur in längeren Zeitabständen zu konsultieren. Medienkanäle, die sich auf das Vermitteln von täglichen Börsennews spezialisiert haben, verbreiten vorwiegend Kurznachrichten, die mit wenigen Recherchen unter Zeitdruck geschrieben werden und inhaltlich dem rationalen Anleger meist wenig Mehrwert bieten. Auch diese Medienhäuser stehen unter grossem Konkurrenzdruck und kämpfen täglich um Aufmerksamkeit, indem sie mit ihren Schlagzeilen und psychologisch geschickt gewählten Wörtern vor allem die Emotionen ihrer Leser stark anregen und weniger sachliche Informationen bieten wollen.
Ich glaube, dass es grundsätzlich besser ist, weniger Nachrichten zu konsumieren, dafür fokussierter. Es hilft im Alltag vordefinierte Zeiten für den Nachrichtenkonsum zu definieren und medienfreie Zonen zu schaffen, in denen man auch Aktivitäten einplant, die sich positiv auf das Gemüt auswirken.
1 DIE ZEIT Nr. 44 vom 27.10.22, «Da platzt mir der Kopf» von Stefanie Kara und Ulrich Schnabel.
(Dieser Text ist ein Ausschnitt aus dem AarauInvest Newsletter vom Januar 2023. Den Newsletter finden Sie auf unserer Webseite aarauinvest.ch/blog)
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